Als "Wüeschti" das Schöne pflegen



Altersspektrum 17 bis 54: Der TV-Schuppel Waldstatt bringt zwei Generationen zusammen – insgesamt zählt die Gruppe zwölf Mitglieder. (Bild: Ueli Abt)

Appenzellerzeitung vom 11. Januar 2014

WALDSTATT. Schöne Tradition: Als Chläuse bereiten die Mitglieder des TV-Schuppels Waldstatt vielen Menschen Freude – gerade auch älteren Alleinstehenden. Am kommenden Montag – dem Alten Silvester – folgen die zwölf Mitglieder wieder ihrem «Strech».
UELI ABT

Das Berührendste sei, darüber sind sich die Mitglieder des TV-Schuppels Waldstatt einig, wenn man unterwegs eine alleinstehende Person besuche. «Man nimmt sich eine halbe Stunde Zeit, um eben diesem Menschen eine Freude zu bereiten», sagt der 25jährige Fabian Lämmler. Einmal sei gerade zur Zeit, als der Schuppel vor einem Hof ein Zäuerli darbot, die Sonne aufgegangen, und der Anwohner habe vor Freude über den Augenblick zu schluchzen begonnen. In diesem Moment habe er selbst mit den Tränen kämpfen müssen.

«Wie eine Krankheit», sei das Chlausen, sagt der 41jährige Beni Müller, eine emotionale Angelegenheit. Die Tradition zu pflegen, bedeutet ihm viel. Wenn man älteren oder gar kranken Personen eine Freude bereiten könne damit, dann gehe das auch ihm selbst nahe. Beim einen oder anderen Besuch habe er schon gedacht: «Wer weiss, vielleicht chlausen wir das letzte Mal bei diesem Menschen.»

Zwölf Chläuse
Gut 40 Chlausengruppen werden am kommenden Montag, dem Alten Silvester, in Waldstatt unterwegs sein. «Dass wir zwölf Chläuse sind, ist eine Besonderheit», sagt Müller – andere Gruppen zählten meist nicht mehr als acht Mitglieder. Sämtliche Chläuse des Schuppels hätten einen Bezug zum örtlichen Turnverein – es sind aktive oder ehemalige Turner.

Um sechs Uhr morgens werden sie am 13. Januar den gemeinsamen Tag mit dem Frühstück beginnen, circa um 8 Uhr ziehen sie los. Nach einer ausgedehnten Mittagspause werden sie sich im Dorfzentrum aufhalten. Der «Strech» endet schliesslich gegen Mitternacht. «Wir chlausen so, wie es uns die alten Turner überliefert haben», sagt der 54jährige Christian Lämmler, dessen drei Söhne im Alter zwischen 17 und 25 Jahren ebenfalls im Schuppel dabei sind. Aus ihrer Sicht gebe es verschiedene Arten, zu chlausen. «Wenn es anderswo anders gemacht wird, hält es diesen Brauch lebendig.»

Schöner als Weihnachten?
Ob das Silvesterchlausen schöner sei als Weihnachten, darüber herrscht im Schuppel kein Konsens. «Auf jeden Fall», sagen die einen. «Man kann es nicht miteinander vergleichen», sagt Familienvater Christian Lämmler. Weihnachten sei ein Fest für die Familie, das Chlausen in der Männerrunde sei wieder eine andere Geschichte.

Gleich nach Weihnachten gehen jedenfalls die Vorbereitungen los, dann sitzen die Mitglieder des Schuppels zusammen in einem Schuppen, zu Hause bei den Lämmlers, auf einem Hof in der Unterwaldstatt. Dann werden die Gwändli angefertigt aus Chrees und «was sonst noch in der Natur wächst», wie Christian Oertle sagt: Stechlaub, Thuja, getrocknetes Schilf, Stroh, Holzwolle, Heu, Fellstücke und Hanfschnüre. Man sitze dabei am wärmenden Öfeli zusammen – und «schnorre» zuweilen auch «dumm». Für den 23-Jährigen ist das eine schöne Zeit, die einen Teil des Chlausens ausmacht.

Die gemeinsam verbrachte Zeit, die dabei erlebten «Episödeli» schweissten die Mitglieder der Gruppe zusammen, sagt Müller. Manchmal gelte es beim Chlausen ja auch, auf die Zähne zu beissen, etwa, wenn der Groscht drücke und es bergaufwärts gehe. Sich später daran gemeinsam zu erinnern, gebe einen guten Zusammenhalt.

Abseits am schönsten
Am schönsten sei es dabei, abseits des Dorfes zu chlausen, ergänzt Oertle. «Wenn man zwanzig Minuten bergaufwärts gegangen und dabei unter dem Groscht ins Schwitzen gekommen ist, ehe man oben das Haus anchlaust, hat man etwas getan», so Oertle.