Waldstatt - ein Tourismusort?



Appenzellerzeitung vom 30. November 2013

Waldstatt soll Hotelstandort werden. Doch ist dieses Hinterländer Dorf ein konkurrenzfähiger Tourismusort? Ohne diese Voraussetzung nimmt der Verkehr noch mehr zu.
Von Roger Fuchs

Ob die Hinterländer ein solches Hotel wünschen? Grosse Bekenntnisse zum Projekt bleiben bisher aus.

Die IG Wellbeing & Health Resort Appenzellerland um Projektleiter Andreas Felder, Gais, hat entschieden: Für das neue Viersternehotel soll definitiv der Standort Waldstatt weiterverfolgt werden. Ein überraschender Entscheid? Nicht ganz. Vor über einem Jahr hat eine Studie der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) die drei ursprünglich ins Rennen geschickten Standorte Trogen, Gais und Waldstatt unter die Lupe genommen. Rechnete man damals alle Plus- und Minuspunkte zusammen, so kam Trogen auf neun Punkte, Waldstatt auf acht und Gais auf null Punkte. Schon damals war Gais sozusagen als Standort vom Tisch, auch wenn seitens der Verantwortlichen dies niemand so zu sagen getraute. Erst jetzt, über ein Jahr später, gibt man zu, dass diese Studie den Ausschlag für den Standort gegeben habe (siehe Appenzeller Zeitung vom 26. November).

Trotz diesem Entscheid, ein Hotel steht noch nicht. Und es dürfte wohl auch noch einige Jahre lang so bleiben. Längstens ist klar, dass das ganze Prozedere viel länger dauert als einst angenommen. Bei der ersten Medienorientierung zu den Standortstudien im August 2011 war die Rede von einem Baubeginn im 2014/15. Inzwischen ist die Rede von einer möglichen Eröffnung im 2017 oder 2018. Nur: Solange keine Zusage eines Investors vorliegt, sind auch diese Zahlen mit Vorsicht zu geniessen. Ausserdem hat die IG Wellbeing & Health Resort Appenzellerland für den 40-Millionen-Franken- Bau 15 Millionen Eigenkapital – und das könnte die weitaus grössere Herausforderung werden – aufzubringen. Dabei spielt dann auch eine Rolle, zu welchen Konditionen dieses Geld zur Verfügung gestellt wird.

Allfällige Investoren dürften sicher nochmals in ihre Überlegungen einbeziehen, ob Waldstatt tatsächlich ein konkurrenzfähiger Tourismusort ist. Auch wenn die Nähe zur Agglomeration St. Gallen gegeben und Ausflugsziele wie der Alpstein schnell erreichbar sind, Wellness- oder Seminartouristen werden ab und an das Hotel auch auf der Suche nach einer attraktiven Umgebung in Gehdistanz verlassen. Es ist nicht anzunehmen, dass Waldstatt diesbezüglich in den nächsten Jahren aufrüsten wird. Waldstatts Finanzen sind angespannt, selbst die Schwimmbadsanierung stand lange auf Messers Schneide. Zusätzliche Investitionen für Tourismusgäste liegen nicht drin – es sei dann, man würde auf dem Kapitalmarkt Gelder beschaffen. Davon ist aber abzuraten. Auch in der Walliser Gemeinde Leukerbad wurde solches getan, um als Tourismusort mit anderen Schweizer Tourismusgemeinden konkurrieren zu können. Das Ergebnis ist bekannt: Leukerbad ging letztlich in Konkurs. Einen solchen Flop gilt es zu vermeiden.

Zudem muss an dieser Stelle die Frage nochmals erlaubt sein, ob die Hinterländer selbst überhaupt ein solches zusätzliches Hotel wünschen. Aus dem Volk blieben grosse Bekenntnisse zum Projekt bislang aus. Irgendwie scheint das geplante Hotel bisher einzig und allein das Projekt der IG Wellbeing & Health Resort Appenzellerland zu sein. Zwar mag man im Volk den volkswirtschaftlichen Nutzen eines neuen Hotels noch anerkennen, doch vorhandene Sorgen wie das Verkehrsproblem dürften sich negativ auf die Einstellung gegenüber einem solchen Projekt auswirken. Wir erinnern uns an letztes Wochenende: In Herisau wurde die Ortsplanung abgelehnt; unter anderem mit der Begründung, neue Überbauungen würden die Verkehrssituation weiter verschärfen. Was bedeutete wohl ein neues Hotel erst an Mehrverkehr für das Nadelöhr Alpsteinstrasse? Zumal Waldstatt eben nicht wie bereits angetönt die grosse Tourismusdestination ist und zu erwarten ist, dass auch tagsüber viel Verkehr auf den bereits überlasteten Strassen generiert wird.

Einen Trumpf dagegen könnte man in Waldstatt grosszügig ausspielen. Waldstatt ist die Heimat von Holzbaupionier Hermann Blumer, der kürzlich seinen 70. Geburtstag feiern konnte. Da wäre es doch naheliegend, die derzeit im Raum stehende Architektur von ihm nochmals überarbeiten zu lassen. Gut möglich, dass er statt in Anlehnung an das amerikanische Pentagon eine ganz eigene, einzigartig-charakteristische Hotelform finden würde . . .